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Warum ich nicht an der Ice-Bucket-Challenge teilnehme

Emily Bold bei der Ice Bucket Challenge
Emily Bold nimmt die Ice-Bucket-Challenge an und nominiert Wolfgang Tischer

Nun ist es also passiert. Ich wurde für die Ice-Bucket-Challenge nominiert. Ich muss mich nun dabei filmen (lassen), wie ich mir einen Kübel Eiswasser über den Kopf gieße oder alternativ 75,27 Euro an die ALS-Stifung überweisen.

Aber nein! Ich muss gar nichts.

Mittlerweile haben ja fast alle an dieser viralen Aktion teilgenommen. Normale Menschen, Politiker und auch Autoren. Stephen King in kurzen beigefarbenen Hosen und mit weißen Socken. Das war schon reichlich gruselig.

Wer ganz nobel ist, der gießt sich nicht nur öffentlichkeitswirksam einen Eimer Eiswasser über den Kopf, nein er gibt gleichzeitig bekannt, dass er dennoch 100 Dollar spendet.

Die Videos der sogenannte Ice-Bucket-Challenge überführten sogar Straftäter und Befürworter illegaler Drogen. Man präsentiert die schönsten Pannen bei der Eiswasserdusche und nun ist sogar zu lesen, dass man mit seiner Spende die Forschung mit Tierversuchen unterstütze. Die virale Aktion wird medial in allen Formen durchdekliniert.

Gutes zu tun und sich dabei zum Affen machen, das zeugt von einer noblen Haltung und Sinn für Humor. Naja, bei vielen der Videos ist auch ein Hang zur Selbstdarstellung zu erkennen.

Das Prinzip der Challenge ist das des Kettenbriefes: Nachdem man brav auf Sinn und Zweck der Aktion hingewiesen hat, kippt man sich einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf und nominiert drei weitere Personen, die es einem gleich tun sollen.

Aber warum sollte man das tun? Weil es ganz einfach Spaß macht? Sicherlich nicht, denn dann würde das öffentliche Überschütten mit kaltem Wasser des öfteren praktiziert und nicht nur als »Challenge«. Die selbstdarstellerische und voyeuristische Komponente spielt also wohl doch eine wichtige Rolle. Denn schließlich wollen sich auch viele meist (halbwegs) prominente Zeitgenossen in der Originalität ihrer Videos überbieten. Ist man eine Frau, so kommt man als sexy Ice-Bucket-Challenge-Teilnehmerin vielleicht sogar in die Bildzeitung.

Die Ice-Bucket-Challenge ist die zeitgemäße Variante dieser E-Mail-Kettenbriefe, die ein mehr oder weniger seriöses Anliegen im Fokus haben. Obwohl es die Krankheit ALS nachweislich gibt, ist die Challenge dennoch ein HOAX.

Daher gilt für mich der gleiche Ratschlag, der auf der HOAX-Infoseite schon seit Jahren zu lesen ist:

In diese Kategorie fallen Kettenbriefaktionen, die dazu aufrufen, sich für oder gegen dies oder jenes einzusetzen. Das mag alles gut gemeint sein und die Ziele der Aktion mögen höchst ehrenwert sein, jedoch gilt hier ganz klar:

  • Kettenbriefe sind kein adäquates Medium, um seriöse Anliegen zu kommunizieren.

Eine Spende sollte keine Modeerscheinung sein, und Gutes zu tun sollte man nicht immer an die große Glocke hängen. Wobei: Wenn man es genau nimmt, kaufen sich die Eiskübelübergießer ja im Grunde genommen von ihrer Spende frei. So gesehen leiten sie nur meist lachend einen Kettenbrief weiter.

Ok, könnte man jetzt sagen, aber am erhöhten Spendenaufkommen, das die ALS-Stiftung meldet, sieht man doch ganz gut, dass die Aktion in diesem Fall wirklich etwas bewirkt. Aber was sagt das schon aus?

Wissen wir, ob vielleicht jetzt einige am nächsten Bettler vorbeigehen, weil sie ihr Spendenbudget für dieses Jahr schon für ALS aufgebraucht haben? Und für was genau Spende ich eigentlich, wenn ich für die ALS-Stiftung spende? Nein, ich möchte hier nicht auf die oben erwähnte angebliche Forschung mit Tierversuchen hinweisen.

Wahrscheinlich könnte ich mich auf irgendwelchen Infoseiten ganz genau darüber informieren, was mit den Spendengeldern geschieht. Aber auch hier gilt: Warum sollte ich das tun?

Ich möchte selbst entscheiden für was und für wen ich spende – oder für wen und was nicht. Weder eine Social-Media-Kettenvideo-Kampagne noch andere Methoden des sozialen Drucks dürfen zu einer Spende verleiten.

Wer will, der darf. Wer nicht will, darf auch dies.

Wolfgang Tischer

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9 Kommentare

  1. Wenn es heute 35 oder 38 Grad heiß wäre, hätte der Herr Tischer bestimmt darüber nachgedacht, ob er sich vielleicht nicht ne medienwirksame Eis-Dusche gönnt. Heute war es zu kalt. Hoffentlich ist Frau Bold nicht beleidigt. Sie kann ja noch jemanden nachnominieren, vielleicht David Gray oder Malte Bremer oder Andreas Eschbach, oder so.

  2. Ich verstehe, weshalb Emily Bold die Challenge annahm und finde, das ist ihr gutes Recht. Da ich sie ein wenig kenne, weiss ich auch, dass sie dies nicht tat, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Dazu ist ausgerechnet Emily nämlich nicht der Typ. Doch genauso hat Wolfgang Tisch das Recht diese Challenge eben nicht zu akzeptieren. Hämische Kommentare dazu finde ich persönlich recht geschmacklos.

  3. Man sollte vielleicht noch dazu sagen, dass das Eiswasser schon einen Sinn hat. ALS führt zu Lähmungen, indem man sich mit eisigem Wasser duscht, kann man für einige Sekunden nachempfinden, was dies für Betroffene bedeutet, weil der Kälteschock die Illusion einer kurzzeitigen Lähmung auslöst.
    Man kann Aufklärung auf weit dümmere Weise betreiben.
    Natürlich werden nicht alle auf den Ernst dieser Krankheit aufmerksam und machen das Spiel gedankenlos mit, aber jemand spezifisch Egoismus oder Gedankenlosigkeit zu unterstellen, ohne dies belegen zu können, ist für mich unnötige Kritik.
    Jeder, der herausgefordert wird, kann einfach abwinken und muss auch gar nicht spenden.
    Und eigentlich wurden nur mündige Erwachsene nominiert, die sich doch ein eigenes Bild über diese Challenge, die Krankheit und Sinn und Ziweck der Aktion machen können.
    Nach Meldung der Spendenorganisation erreichte das Aufkommen in diesem Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag.
    Und wenn jemand ALS nicht als spendenwürdig erachtet, kann es doch sein, dass diese Person seine Spende einer anderen Organisation zukommen lässt, die es ähnlich nötig hat.

  4. Drei. Naja die Drei hat auch ihren Sinn, denn es werden durch jeden Teilnehmer drei Prominente mehr die auf das Thema ansprechen. Das potenziert sich. Das müsste mittlerweile eine Reisenzahl sein. Ist es wohl auch, weil ja beinahe jeder davon gehört hat. Wenn Herr Tischer jetzt keine drei Personen nominiert, dann ergibt sich auch eine lange Liste von Personen, die nie nominiert werden konnten. Als ich vor einigen Tagen in den Garten gegangen bin, das Erste was ich gehört habe war: „Eh, würdest du dir einen Eimer kaltes Wasser mit Eiswürfeln über den Kopf schütten.“ Dadurch hab ich von dieser Sache erfahren, und dass es eigentlich nur Prominente machen, aber ich könnte auch. Hatte aber keine Eiswürfel im Eisschrank.

  5. Na das trifft sich! Ich bin auch gerade “nominiert” worden. Und mir gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Aber Tatsache ist, die IBC ist ein hervorragend geglückter Marketing Coup. Gratulation denen, die es geschafft haben die Aktion ins Rollen zu bringen, auch wenn es durchaus kritisch gesehen werden kann. Dennoch – auch ich spende lieber an Organisationen die ich mir persönlich ausgesucht habe.

  6. Wer will, der darf. Wer nicht will, darf auch dies.

    Dieser Aussage möchte ich mich gleich zu Beginn anschliessen.

    Meine Mutter ist vor etwa drei Jahren an dieser schrecklichen, weil unheilbaren, Krankheit erkrankt und letztendlich daran über ihr Leben verzweifelt.

    Ihr Tod im Frühjahr 2013 stand am Ende des Kampfes um das eigene Leben und die schlussendlich überwältigende Verzweiflung über die Unausweichlichkeit eines schrecklichen Lebensendes.

    Im Wissen um den manchmal sehr raschen Fortschritt der Krankheit, die zumindest derzeit unheilbar und kaum verzögerbar ist, und die fatalen Folgen und Auswirkungen, stehe ich dieser Ice-Bucket-Challenge seit ihrem Auftreten mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber.

    Einerseits finde ich es vertretbar, auf diese Krankheit aufmerksam zu machen, die die Welt aller Betroffenen unweigerlich aus den Angeln hebt und die menschliche Ausweglosigkeit bei allem menschlichen Können und Wissen erbarmungslos aufzeigt.

    Andererseites finde ich persönlich es unfair, mit sogenannten “challenges” über die sozialen Netzwerke unverhohlen Druck auszuüben.

    Ich kann dadurch an der Krankheit selbst nichts ändern und mein Spendengeld fließt möglicherweise wirklich in irgendwelche – sagen wir es einmal möglichst wertfrei – “zusammenhanglosen” Kanäle. Ich habe es in diesem Zusammenhang aufgegeben, den Spendenorganisationen nachzugehen – ich spende einfach nur für Projekte, die mir seriös erscheinen, weil sie klein, weil sie überschaubar sind und weil es glaubwürdige Rechenschaftsberichte gibt.

    Wer will, der darf. Wer nicht will, darf auch dies.

  7. Die Spenden für ALS (bzw. gegen diese Krankheit) sind sinnlos.
    Warum? Ganz einfach: so schrecklich diese Krankheit für den Betroffenen und seine Angehörigen ist, so selten tritt sie auf als das es sich gesellschaftlich lohnen würde, noch mehr Geld in die Erforschung dieser Krankheit zu stecken.
    Ich wurde auch schon nominiert. Ich werde weder spenden, noch mir Eiswasser über den Kopf kippen, noch jemand anderen dazu zwingen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
    Mahlzeit

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