Drohbrief wegen Lena-Biografie

Ansprüche auf "geistiges Eigentum" werden immer umfassender

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Nachdem der unter anderem für Science Fiction und Fantasy bekannte Heyne Verlag unlängst eine Biografie mit dem Titel "Lena - Einfach raus und leben" ankündigte, bekam er Post von einer Kölner Kanzlei, die behauptete, dass Stefan Raabs Firma Raab TV die Inhaberin "sämtlicher ausschließlicher Nutzungsrechte an dem Namen Lena Meyer-Landrut" sei und selbst "in erheblichem Umfang eigene gleichgelagerte Produkte vertreiben" werde.

Bei Heyne gab man Telepolis die Auskunft, dass das Taschenbuch trotzdem wie geplant am 2. August erscheinen werde. Lena Meyer-Landrut sei eine Person des öffentlichen Lebens, was man der Kölner Kanzlei "entsprechend kommuniziert und keine weitere Reaktion darauf erhalten" habe. Leichter zu beeindrucken war offenbar der Heel Verlag aus Königswinter, der ein mittlerweile vergriffenes "Starportait" von Lena Meyer-Landrut veröffentliche. Dort einigte man sich nach Auskunft der Pressestelle gütlich mit Raabs Unternehmen und will ein zweites geplantes Buch nun nicht mehr herausbringen.

Lena Meyer-Landrut. Foto. Daniel Kruczynski. Lizenz: CC-BY-SA.

In den letzten Jahren wurden die Monopolansprüche im Buchbereich immer umfassender. Dabei geht es längst nicht mehr um "Plagiate", sondern häufig nur um einzelne Wörter, an denen "geistige Eigentumsrechte" geltend gemacht werden. Aktuell läuft deshalb ein Gerichtsverfahren gegen den Random-House-Justiziar Rainer Dresen. Grund der Strafanzeige gegen ihn war, dass der Autor Guido Krain vor zehn Jahren einen Fantasyroman mit dem Titel "Elfenmond" veröffentlicht hatte. Als Random House 2007 Titelschutz für ein Buch namens "Unter dem Elfenmond" anmeldete, wurde der Verlag von Krain zur Unterlassung aufgefordert. Dresen empfahl seinem Arbeitgeber darauf hin, den Titel von "Unter dem Elfenmond" in "Im Schatten des Elfenmonds" abzuändern, was Krain jedoch nicht reichte. Die Staatsanwaltschaft ließ deshalb die Verlagsgebäude durchsuchen und brachte Dresen vor das Amtsgericht München, das ihn im April vom Vorwurf der vorsätzlichen Kennzeichenrechtsverletzung gemäß § 143 des Markengesetzes freisprach. Allerdings legte die Staatsanwaltschaft gegen das nicht rechtskräftige Urteil Berufung ein.

Patrick Baronikians beklagte nach dem Bekanntwerden des Strafverfahrens in einem Aufsatz für die juristische Fachzeitschrift Kommunikation & Recht eine "Kriminalisierung des Kennzeichenrechts". "Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr", so der Medienrechtler, sei so sehr von Wertungen abhängig, dass nur sehr schwer vorhersagbar ist, ob in einem bestimmten Fall ein Rechtsverstoß vorliegt. Printbranchenzeitschriften wie der Buchreport schlossen sich dieser Auffassung an und warnten vor dem "erhebliches Erpressungspotenzial", das sich durch die Möglichkeit von Strafanzeigen in diesem Bereich ergibt, und auch Susanne Barwick, eine Sprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels befand, dass Staatsanwälte und Strafrichter nicht über komplizierte immaterialgüterrechtliche Fragen entscheiden sollten.

Allerdings ist der Branchenverband durchaus für die Drohung mit dem Strafrecht, wenn es nicht gegen seine eigenen Mitglieder, die Verlage, sondern gegen Verbraucher geht. Eine Inkonsequenz, über die man sich möglicherweise nach einem Gang des Dresen-Verfahrens in die nächste Instanz mehr Gedanken machen kann. In jedem Fall wäre die aktuell geplante Einführung von Leistungsschutzrechten für Presseverlage eine Gelegenheit, nicht nur überbordenden Monopolrechtsansprüchen Grenzen zu setzen, sondern auch klar festzulegen, dass das Immaterialgüterrecht ein Bereich des Zivilrechts und nicht des Strafrechts ist.

Solch eine Klarstellung würde auch den Verlagen nützen, für die sich in den letzten Jahren nicht nur übertriebene Sanktionsmöglichkeiten zum Bumerang entwickelten: Mittlerweile kämpft die Branche auch mit einer speziellen Form des Abmahnmissbrauchs, der, so Heyne-Programmgeschäftsführer Ulrich Genzler, das gesamte Genre der Biografien "zur Disposition stellen" könnte: In dem "prosperierenden Geschäftszweig" erwirken "geschäftstüchtige Anwälte" im Eilverfahren Einstweilige Verfügungen gegen frisch veröffentlichte Bücher und mahnen sofort darauf massenhaft Buchhändler ab. Weil diese von den Verlagen anschließend Schadensersatz verlangen, sehen sich Letztere mit einem finanziellen Risiko konfrontiert, das sie immer stärker vorauseilend zensieren lässt.