Klagenfurt - "Keiner, der schreibt, schreibt freiwillig so, wie er schreibt. Das gilt auch für Frauen", sagte Urs Widmer in seiner Eröffnungsrede zum Bachmannpreis. Und weiter: "Schreiben, ernsthaftes und existenzielles Schreiben, hält sich in Gebieten auf, in denen es weh tut und wo dieses Schreiben etwas Notwendiges und Unausweichliches wird. "

Obwohl der Schmerz für manche in Feucht- und anderen Körpergebieten wohnt, war Widmers Rede kein Plädoyer für eine literarische Wertung, in der "am Schluss einer der Sieger ist", vielmehr gehe es in der Literatur immer auch um ein Nebeneinander, um Vielstimmigkeit. Zwei Fragen hingegen stellen sich laut Widmer bei jeder literarischen Wertung: Fügt es dem bisher Bekannten etwas hinzu und hört man die Stimme des Autors (seine eigene, nicht die angelesene)?

Öfters lautet die Jury-Antwort bei Klagenfurt-Wettbewerbstexten in beiden Fällen "nein" - auch am Donnerstag. Der deutsche Autor Gunther Geltinger las eine ländliche Antiidylle, in der die Welt eines Kindes, dem die Mutter wegbricht, im wahrsten Sinn des Wortes in Fäkalien untergeht. Die Jury kritisierte vor allem Probleme mit der Erzählperspektive und eine widersprüchliche Figurenzeichnung. Bei Maximilian Steinbeis wird einem Mann von einer mephistotelischen Figur im Hintergrund geraten, sein Vermögen in Gold anzulegen (Finanzkrise!), diesen Schatz zu vergraben und allfällige Mitwisser zu beseitigen. Beim Stichwort Gold wachten die beiden Schweizer Jurymitglieder auf, sie fanden den Text lustig - die anderen eher nicht.

Zu hart wurde Daniel Wissers Beitrag Standby kritisiert, der den Leser formal überzeugend mittels Passivsatzkonstruktionen in die beklemmende Lebens- und Beziehungswelt eines Neurotikers zwingt. Wenigstens wurde das Statement Meike Feßmanns, es handle sich um einen Text von "erschütternder Schlichtheit", von anderen Jurymitgliedern wütend zurückgewiesen.  (Stefan Gmünder / DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2011)